O h n e P l a n
& ohne Druck, geht das überhaupt?
Immer wieder, spätestens im Winter wenn die Treffen mit anderen Kindern weniger werden, prasseln wieder Gedanken auf mich ein, ob ich den Kindern nicht ständig Futter für den Kopf bieten sollte.
Als mein Großer zur Welt kam war schnell klar, dass er viel Input brauchte und so entwarf ich jeden Tag Tablet's á la Montessori und bat ihm so tausende Möglichkeiten, irgendwelche scheinbar wichtigen Fähigkeiten und Fertigkeiten auszuprobieren und zu lernen. Sicher ein interessanter Ansatz, doch irgendwie für ihn und mich nicht ganz befriedigend.
Es war ein auf einem Tablet abgekapselter Versuch, ihm bloß genügend Anreize zu schaffen und ja kein Thema zu verpassen, was bei ihm gerade an der Reihe war.
Ich erschaffte Sensorik Regale mit allerlei Materialien zum Anfassen und erkunden. Ich durchforstete das ganze Internet nach mega tollen Spielzeugen aus Holz mit Lerneffekt. Der Sinn meines Lebens bestand darin, mein Kind permanent etwas bieten zu wollen.
Und dann kam unser Kleiner. Ein Allesfresser, der bis heute (er wird bald 2) von Murmeln, über getrocknete Bohnen und Perlen, einfach alles immer noch gerne mit dem Mund erkundet (orale Phase). Als kitafreie Zweifachmama zwischen Kochtopf und Wäsche, meist 6 stündiger Draußenzeit und Streitbegleitung, ist allerdings nicht wirklich die Möglichkeit da, die Kinder beim sensorischen Erkunden von den kleinteiligen Materialien, permanent zu beobachten. Vielleicht wäre das auch nicht notwendig, doch wir hatten vor einigen Monaten einen fast tödlich endenden Vorfall mit Cashewkernen, weswegen alles Kleine vorerst mit absoluter Pinibeligkeit auf den Regalen ganz nach oben verfrachtet wurde.
Soweit so gut, hatte ich die Zeit mit den Kindern eh größtenteils nach draußen verschoben. Ich bemerkte, dass es draußen nicht notwendig ist, Dinge vorzubereiten, denn dort ist alles da, was es braucht, um sich zu entwickeln. Naturmaterialien für jedes Sinnesorgan: Bäume, Erde, Gras zum betasten, Blumen zum riechen, Vögel zum Hören, Kräuter zum schmecken usw.
Die Kinder klettern und bauen, pflücken und toben.
Die einzige Langeweile, die da aufkommt steckt in mir.
Vermutlich ist genau das der Hintergrund, warum wir Eltern immer das Gefühl haben, unseren Kindern etwas bieten zu müssen. Wir langweilen uns und übertragen dies auf unsere Kinder. Manchmal zu recht, oft bedarf es allerdings nur Geduld oder eine kleine Anregung, um die Fantasie der Kinder anzustubsen.
Kreativ wird man erst nach großer Langeweile
Mein Lieblingssatz aus meiner Erzieherausbildung, den ich mir immer wieder hervorrufe.
Oft geht es mir so, wenn es mal wieder den ganzen Vormittag dauert, bis wir vor die Tür kommen, dass ich denke: Sollte ich den Kindern nicht noch etwas anbieten? Sie langweilen sich doch und streiten sich deshalb die ganze Zeit. Ob ich ihnen alles gebe, was sie brauchen? Ich bastel so selten, vielleicht fehlen ihnen später die feinmotorischen Fertigkeiten! Wird meine Familie wieder hinterfragen, was ich meinen Kindern denn so alles biete oder daran zweifeln, dass es den Kindern an Input reicht.
Und so sprengt es förmlich meinen Kopf, obwohl ich gerade versuche Mittag für unterwegs zu kochen, während ich den Rucksack packe und den Kindern manchmal völlig überreizt engegenrufe, dass sie endlich mal aufhören könnten, sich die Spielzeuge aus der Hand zu reißen.
Draußen.
Alles ruhig, alles entspannt, alle haben Spaß. Keiner streitet. Jeder hat irgendetwas wichtiges zu tun.
Hm. Ich langweile mich, denn mich braucht gerade keiner.
Ich könnte den Kindern zeigen, welche Blumen hier wachsen, wie man Bäume unterscheidet oder mit Stöckchen eine Schlange bauen kann.
Ich könnte es aber auch lassen!
ICH langweile mich! Nicht sie! Es ist nicht notwendig, sie mit Aktionen zu beschallen und ihnen permanent Futter zu geben, denn das suchen sie sich alleine. Draußen zumindest, weshalb unser täglicher Ausflug stets Richtung Wald und Wiese strebt.
(Hier merke ich einmal an, wie schön es wäre, ein kleines Dorf zu haben, wo die Kinder stets draußen herumtoben können, während Muddi kocht)
Draußen entdecken Kinder die Welt, sehen Zusammenhänge und erfragen das Leben.
Hier steckt alles, was es theoretisch braucht, unabhängig von dem, was die Gesellschaft will.
In unserer Gemeinschaft ist es angedacht, dass Kinder in Schule und Kita gehen, um soziale Kontakte zu knüpfen und nach Plan zu lernen, was draußen so vor sich geht. Auf dem Papier werden Teile eines Regenwürmer besprochen und bestenfalls wird dieser sogar noch von draußen ins Klassenzimmer geschleppt, um ihn dort zu untersuchen.
Eine Karte wird an die Tafel gepinnt, um auswendig zu lernen welche Bundesländer welche Hauptstädte in sich tragen.
Hups? Läuft da nicht irgendwas schief?
Das Prinzip war ursprünglich sicher gut durchdacht, doch driftet es immer mehr von der natürlichen Art des Lernens ab. Was ist wirklich wichtig und WIE bzw. WO kann ich es entwickeln?
"Mama, eine Ameise! Wo geht sie hin? Was macht sie da und was frisst sie eigentlich?"
Bühne frei. Nun ist der perfekte Zeitpunkt, um als Lernbegleiter zur Seite zu stehen. Es bedarf keinerlei künstlicher Konstruktionen.
"Die Ameise geht wahrscheinlich zu ihrem Nest oder ist gerade auf der Suche nach Futter... sie frisst Samen... hm. Vielleicht auch andere Insekten. So ganz genau weiß ich das gar nicht. Wir können ja nachher mal zusammen nachschauen"
So wird die Antwort wahrscheinlich irgendwie ausfallen, wenn man im Unterricht früher nicht aufgepasst oder das Wissen in irgendeine unbedeutende Schublade abgelegt hat.
Und genau deshalb hab ich es mir zur Aufgane gemacht, mein Wissen aufzufrischen und in kunstvoll aufbereitete Materialien zu geben, die wir mit rausnehmen können oder ich einfach heimlich zu Hause durchlesen kann, um kurz und knackig Fragen meines Kindes beantworten zu können.
So könnte es gehen.
Kinder frei spielen lassen, beobachten und einspringen, wenn Wissen oder Fertigkeiten gefragt sind.
Ich mache in der Zeit der Langeweile das, was ich gerne tue z.b. Korbflechten oder Bänder verknoten, Schnitzen oder über Dinge nachdenken.
Auch das regt Kinder an. Sie sehen, was du tust und wollen nachahmen.
Und so erlernen sich Fähigkeiten und Fertigkeiten wie ganz von selbst. Es braucht kein Tablet, um jetzt das Schneiden zu lernen.
Natürlich kann ich in der sensiblen Phase, wo das Kind genau das immer tun will, darauf eingehen und ihm Möglichkeiten dazu geben, aber es bedarf nicht permanenter Überlegung, was ich nun für mein Kind noch alles vorbereiten könnte.
Auch ich muss mich selbst immer wieder daran erinnern...
P.S. Meine Kinder sind aktuell 2 und 3,5 Jahre alt. In ein paar Jahren könnten meine Ansichten schon wieder ganz anders aussehen. Das Leben ist ein ständiger Lernprozess. Ich teile meine Erkenntnisse gerne wieder, wenn meine Kinder älter sind ♡
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