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Eine Hausgeburt im Krankenhaus


So ein paar Wochen vor der Geburt fängt meist jede Mama nochmal an, ihr Heim Klarschiff zu machen und alles für den Schlüpftag vorzubereiten.

Und so Stachelte auch ich meinen Mann an, hier und dort und überall noch "mal eben" was anzubringen, was umzubauen oder gemeinsam aufzuräumen.

Schon die ganze Schwangerschaft über hatte ich im Gefühl, dass der Schnuffelpo früher kommen würde und immer stärker wurde es, je näher der Tag der Tage rückte.

Nun waren es bald nur noch vier Wochen und die Anzeichen immer deutlicher. "Du, mein Bauch bekommt wieder diese Hörner über dem Bauchnabel (sowas wie Schwangerschaftsstreifen) und ist so rot fleckig - das war bei Lior zum Ende hin auch so".

Auch der "Schleimpropf" löste sich schon- den ich aber nicht weiter ernst nahm.

Volles Haus. Die beiden Mäuse meines Mannes waren am Wochenende da. Wir hatten gerade noch einen kleinen matschigen Ausflug zum Abenteuerspielplatz und gegen 21 Uhr ging es für die zwei Jungs ins Bett. Ich verbrachte mit der dicken Kugel und der Großen von Tom auf der Couch.

Hmmmm, muss ich mich noch über irgendwas erkundigen vorher? Hipnobirthung vielleicht? Ich schmiss YouTube an. War aber total gelangweilt von langen Videos mit wenig Inhalt. Also zwitschte ich zu Musik um und schaute gemeinsam mit der Großen ein Video über verrückte Musikinstrumente.

Plopp.

Ehhh, was war das denn? Das war doch in mir, was da so puffte? War das jetzt die Fruchtblase? Jetzt? Ich blieb liegen, in der kleinen Hoffnung mich geirrt zu haben und dachte- naja nass ist es ja nicht, also war es bestimmt was anderes.

Aber eigentlich wusste ich ganz genau, dass das jetzt ein Blasensprung war. Ein paar Minuten später stand ich also auf und schwapp....

Joa, also gepullert hab ich definitiv nicht aus versehen, also ist wohl die Blase geplatzt!

Hm Wehen hab ich noch nicht. Hebamme anrufen, in der hoffnungslosen Hoffnung, dass sie eine Woche vor erlaubter Hausgeburt (ab 37+0) doch noch kommen kann. Natürlich vergeblich. Statt dessen Rat sie mir, so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu fahren, so lange ich noch keine Wehen hatte.

Ich folgte dem Rat nicht so ganz und packte in relativer Ruhe meine Tasche mit Kleidung, falls ich ein paar Tage da bleiben musste. Mein Mann und ich schmiedeten einen ungefähren Plan, da ja nun alle Kids bei uns waren und unser "Großer" auch noch nie ohne Mama oder Papa mit jemandem allein war.

Er blieb also daheim bei den schlafenden Jungs und der aufgeregten Großen. Ich hüpfte ins Taxi und traf mich vor Ort mit meiner Mami, damit ich erst einmal nicht alleine war.

Unaufgeregt saß ich nun in einem der Kreißsäle und ließ ein CTG schreiben, während meine Mama fast in Panik nach Bachblüten fragte- für sich!

Muttermund geschlossen, Wehen minimal vorhanden. Zumindest laut Gerät. Ich merkte nix.

Ich wurde weiter geschickt zum Ultraschall und Antibiose. Mir war etwas zum heulen zumute. Ich fragte, warum denn ein Antibiotikum. Es ist doch alles super.

Infektionsgefahr wegen vorzeitig geplatzter Blase. Bla Bla. Ich überlegte kurz.

Hier im Krankenhaus wollte ich den kleinen Mops wohl eher nicht dem Risiko aussetzen, irgendeinen Keim zu erhaschen, also ließ ich es über mich ergehen. Ich wurde auf Station geschickt, da ich keine Wehen hatte, mit der Aussicht einer Einleitung nach 12 Stunden, wenn bis dahin nix passiert.

Ich war durch. Ich schickte meine Mama heim, damit wir alle noch eine Mütze Schlaf bekommen und fing erstmal an zu heulen. Einleitung? Warum zum Teufel. Der Körper ist doch dafür gemacht, Kinder zu bekommen. Ich will das nicht.

Ich rief meinen Mann an und wollte so kurz mal Luft holen nach diesem blöden Einstieg in eine wundervolle Geburt.

Später versuchte ich zu schlafen. Nun kamen doch so drei, vier Wehen pro Stunde und es viel mir schwer, mich richtig auszuruhen. Immer wieder kurz schaffte ich es einzuschlafen. Zwischendurch rief ich mal die Schwester um mitzuteilen, wie es aussieht und zu fragen, ob es einen erneuten Besuch im Kreißsaal wert war. Sie verneinte.

Die Zeit zog sich hin und ich langweilte mich zu Tode .

Wann geht's denn jetzt los.

Ich war genervt. Immer wieder telefonierte oder schrieb ich mit irgendwem und ging dann morgens gegen 9 zum erneuten CTG.

Die Wehenabstände wurden kürzer aber jetzt auch nicht erwähnenswert schmerzhaft.

Ich erzählte der Hebamme von meinen Erfahrungen mit den Ärzten aus letzter Nacht und sie stand mir bei, wie blöd es manchmal läuft und Ärzte ja eben immer nach Vorschrift und Vorgabe handeln "müssen".

Das Telefon klingelte und die Hebamme teilte der Ärztin schon fast frech mit, dass eine Einleitung nicht notwendig ist, da ich ja Wehen habe und ich das auch gar nicht möchtet. Danke und aufgelegt.

Sau cool. Man war ich erleichtert, dass mir die eigentlich unbekannte Frau beiseite stand.

Ein Lichtblick.

Ich wurde wieder auf Station geschickt mit dem Hinweis mich zu melden, sobald es meiner Meinung nach Ernst wird.

Hm und nu.

Da lief ich also den Flur hinab zur Kaffeeecke und beschloss erst einmal, die Lage zu Hause zu checken, zu berichten, was hier so läuft und zu organisieren, wie es weitergeht. Ich meine, was habe ich denn sonst besseres zu tun, als zu organisieren? Wehen wegatmen oder entspannen? Ach das mache ich nebenbei. Ich glaube das ist so eine Taktik von meinem Körper über stressige Zeiten zu kommen.

Ich weiß gar nicht mehr, wen ich alles anrief, aber ich telefonierte ziemlich viel.

Die Wehen wurden stärker und ich musste die Gespräche immer wieder mit einem "Moment.... Ich habe gerade eine Wehe, nicht wundern" und lautem wegatmen unterbrechen.

Als letztes telefonierte ich mit meinem Bruder und seiner Freundin, die sich beide herzlichst über meine Pausen kaputt lachten.

Ganz ehrlich, irgendwie hat mir das super über die starken Wehen hinweg geholfen und ich musste mich nicht die ganze Zeit langweilen und auf und ab rennen um auf ein GO zu warten.

Irgendwann dann unterbrach ich das letzte Gespräch und meinte "Ich glaube, ich muss dann jetzt mal in den Kreißsaal". Schnell rief ich noch meinen Liebsten an bzw. meine Mutter, da er nicht dran ging und sagte "So jetzt ist es ernst, er sollte schnell losfahren- viel Zeit ist nicht mehr"

Ich schlüpfte zurück in den Kreißsaal und wurde ans CTG angeschlossen.

So ganz genau weiß ich den Ablauf jetzt nicht mehr, aber irgendwie sagte die Hebamme irgendwann kurze Zeit später, wenn es nach unten drückt, dann sag Bescheid. In dem Moment, flog eine heftige Wehe an und ich meinte halb lachend "Ehmmm, irgendwie zieht das jetzt gerade nach unten".

Sind das wohl die Presswehen, fragte ich mich, denn so ein leichtes Bedürfnis zu pressen kam auf.

Eigentlich wollte ich ins Wasser, welches für die Eröffnungsphase bereits für mich eingelassen wurde, weil ich darum bat. Eine komplette Wassergeburt war mir nicht erlaubt, da der kleine Zwerg nun 4 Wochen zu früh kam laut Entbindungstermin und bei einer Frühgeburt wegen möglicher Anpassungsstörungen ein Gebären in der Wanne vermieden werden solle. Übrigens noch ein Grund, warum mir nachts die Tränen liefen. Meine letzte Geburt im Wasser war nämlich sehr schön.

Also suchte ich im Raum einen Gegenstand, der mir mein Bedürfnis zu knien und mich festzuhalten gab. Irgendwie war nicht das Richtige dabei, also beschloss ich diesen sesselartigen Stuhl zu nutzen und fragte, ob die irgendetwas für den Boden hätten zum Polstern. Die Hebamme bot mir das Bett an- dort kann man auch super Vierfüßlerstand machen und sich festklammern. "Nee das ist nicht das Richtige. Ich muss auf den Boden. Ich brauche den Bodenkontakt"

Mein Körper sagt mir schon wieder die ganze Zeit, was ich genau tun soll und was ich brauche. Faszinierend. Man muss es eben nur zulassen können und jeden noch so kleinen Gedanken ansprechen.

Das Wasserbad sagte ich ab, weil ich wusste, dass ich in der heißen Phase nun nicht mehr aufstehen wollen würde.

Zwischendurch hockte ich mich schon hin und hatte das Bedürfnis zu pressen. Aber mein Liebster war noch nicht da.

Ich konnte gar nicht richtig loslassen. Außerdem mach ich hier alles dreckig, falls ich mich entleeren musste.

Also sprach ich die Hebamme an.

"Was ist denn, wenn ich den ganzen Boden hier vollsaue mit Ausscheidungen oder Blut?"

Ich solle mir keine Sorgen machen. Sie legt einfach noch mehr Krankenunterlagen unter. Ich solle einfach loslassen.

Na gut.

Ein paar Wehen später entleerte ich meine Blase auf dem Boden.

Schön.

Hätten wir das auch geklärt.

Ein bisschen traute ich mich schon zu pressen, aber so ganz konnte ich mich dem nicht hingeben. Ich dachte darüber nach, wie lange wohl mein Tom noch brauchte und wo er wohl gerade mit dem Taxi steckte. Ich lauschte immer wieder der Tür des Kreißsaals, ob es klingelte.

"Lange lässt euer kleiner nicht mehr auf sich warten. Aber der wartet wohl noch jemand auf dem Papi." Und damit hatte die Hebamme wohl mich gemeint.

Gut erraten.

Es war übrigens der erste Tag nach über einem Jahr Elternzeit der Hebamme wieder im Kreißsaal. Sie freute sich, dass sie einen so schönen Start hatte, denn bisher lief alles super unkompliziert.

Okay. Mein Körper zeigt die mir deutlich, dass jetzt pressen dran war also ließ ich doch ein bisschen los. Lange dürfte der Papi ja nicht mehr brauchen. Mit der nächsten Wehe presste ich ein wenig mit. Mein Ausatmen wurde immer länger und die Wehen immer tiefer.

Es klingelte an der Tür. Das ist er sicher endlich, dachte ich. Die nächste Wehe kam auch schon herbeigeflogen, während mein Mann zur Tür hinein kam. Ich wackelte übrigens mit meinem nackten Hintern Richtung Tür, sodass alle im Vorraum mir theoretisch direkt beim Gebären zugucken konnten.

Aber das war mir in dem Moment echt egal.

Kaum stolperte Tom in den Raum hinein, fing ich an mit der nächsten Wehe erleichtert in die Presswehe zu gehen. Puuuuuuuuuuust. Ein kräftiges Ausatmen mit begleitenden Stöhnen half mir, endlich loszulassen.

Das fühlt sich gut an. Genau das brauchte mein Körper jetzt.

Zwischendurch dachte ich noch darüber nach, wie andere Frauen während der Geburt wohl fühlten. Ob sie nicht richtig loslassen können und ob das wohl der Grund ist, warum so viele Frauen die Geburt als so schlimm empfinden? Ich bin total fasziniert , wie mein Körper mir anzeigt was ich brauche. Ich muss mich nur komplett dem hingeben und mich sicher fühlen.

Tom saß neben dem Sessel und die Hebamme fragte, ob ich den kleinen fangen will, denn er purzelt bald raus. "Nee ich nicht, aber Tom wenn er will, kann gerne. Oder du hältst meine Hand hier."

Er entschied sich für meine Hand, da er bemerkte, dass ich genau das jetzt brauchte, nur eben nicht genau sagte. Typisch Frau. Ich klammerte mich mit aller Kraft an seine Hand und presste mit jeder Wehe mehr und mehr. Lange wird es nicht mehr dauern. Ich schwitzte und war KO. Zwischen den Wehen legte ich meinen Kopf auf die Sitzfläche des Stuhls ab. Links klammerte ich die Armlehne fest und rechts zerquetschte ich Toms Hand.

Jetzt weiß ich wieder wie ich bei Liors Geburt schrie. Wobei schreien ein furchtbares Wort in diesem Zusammenhang ist. Es ist kein Schmerzensschrei. Ich gab mich einfach dem Pressen hin und mit dem Schrei kam mehr Kraft in mein Unterleib um das kleine Wesen hinaus zuschicken.

Ich merkte, wie er in meinem tiefsten Unterleib ankam. Und jetzt kam die beschissenste Stelle an der Geburt. Das was wirklich weh tat war der Kopf, der versuchte sich hinaus zu befördern. Es brannte und genau diese Worte schickte ich hinaus um mein Umfeld davon wissen zu lasse "Au au das brennt" "Ja das hat man schon fast vergessen von der ersten Geburt" meinte die Hebamme.

Ich erinnere mich noch ganz genau, wie schmerzhaft dieses Reißen bei Liors Geburt war.

Es ist ein bisschen so wie Arme zwirbeln, was man als Kinder gerne mal gegenseitig gemacht hatte- nur eben in Intimbereich.

Der Kopf wollte nicht raus. Noch nicht. Also schlüpfte er zurück. "Och nee, nochmal von vorne?"

Die nächste Wehe kam und ich presste mit aller Kraft, damit ich diesen Schmerz nicht noch mehrfach erleben musste.

Schwups kam der Kopf. Boa was für ein erleichterndes Gefühl.

Eh jetzt kommen ja noch die Schultern. Naja, das werde ich schon packen. Mit einer kräftigen Wehe und einem heftigen Pressen und Ausatmen flutschten die Schultern hinterher mit genau dem gleichen Brennen wie beim Kopf, nur dass es eben schneller ging.

Und da lag er nun. Kurz war ich wie versteinert über das kleine Wesen unter mir.

Völlig verschleimt und nackig,Wie er an meiner Nabelschnur hing, die ziemlich kurz war. Die Hebamme und die dazugestoßene Ärztin halfen mir hoch, um den Winzling in die Arme zu nehmen.

Jetzt weiß ich den Ablauf wirklich gar nicht mehr so ganz genau, aber sie ließen die Nabelschnur auspulsieren und Tom Schnitt sie durch. Das sah ziemlich eklig aus. Irgendwann dann sollte ich die Plazenta hinterherschieben. Die Ärztin wollte mir gleich forsch ein Wehenmittel dafür spritzen und ich war ganz perplex, weil ich das nicht kannte. "Äh wozu?" fragte ich und stotterte vor mich hin. Unsere tolle Hebamme mischte sich wissend ein und sagte klar zur Ärztin, dass wir noch warten.

Nach nicht gleich funktionierendem Gebären der Plazenta im Vierfüßlerstand sprang die Ärztin ungeduldig auf und spritzte mir Wehenmittel fast ungefragt. Ein paar Sekunden später purzelte die Plazenta fast von alleine raus. Völlig unnötig also dieses Mittel. Ich war sauer. Warum zum Teufel kann ich nicht einfach mal in Ruhe ohne Druck die Geburt zu Ende bringen? "Das sind unsere vorgegebenen Standards" Blabla. Das hatte ich am Abend zuvor schon einmal mit der Antibiose gehört, die laut Hebammen wahrscheinlich auch unnötig war. Naja nun war's eh zu spät.

Irgendwann dann machten die Hebamme und ich mich sauber und wir würden allesamt ins Nebenzimmer umgesetzt.

Der kleine Mann trank schon ganz genüßlich seine Mamamilch, bedeckt mit einem gelb-flauschigem Handtuch. Haut an Haut mit mir.

Papa stiefelte bald schon los, um Oma abzulösen und mit Lior, unserem großen "Baby", mich und das "kleine Baby" abzuholen. Ich war schon ganz ungeduldig. Wollte endlich nach Hause in unser Nest. Am späten Nachmittag trudelten dann alle ein und wir fuhren endlich nach Hause.

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