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Freie Entscheidung vs. "Gerechtigkeit"


aus:

"HÖCH(st)SENSIBLER JOB-Das alltägliche Glück einer Hochsensiblen in Symbiose mit 600 anderen Hochsensiblen"

***************** Tag 4 Morgenstunden. Projekttag zum Thema "Darf ich mit Menschen mitgehen, die ich nicht kenne?" Spannendes und wichtiges Thema, wie ich finde. Ich teile mich selbst einer Klasse zu, die gerne als "Oh-Gott-du-bist-heute-in-der-1G" bezeichnet wird. Auch liebevoll Problemklasse genannt- Klasse mit vielen verhaltensauffälligen Kindern. Ich betone hier gerne nochmal, dass es sich um eine 1.(!) Klasse handelt. Eine Gruppe von ca. 22 Kindern im Alter von 5-7(!) Jahren. Da können einem schon mal die Angstperlen die Stirn hinunterrinnen, bei dem Gedanken, ein solche Kinder könnten einen auffressen, vorher mit den Reißzähnen zerfletschen und gewürzt mit einer Prise Aggressionen hinunterschlucken. Einige Wochen lang war auch ich dieser Klasse zugeteilt, als ihre Bezugserzieherin krank war. Auch ich war am Ende des Tages fix und fertig.... angestrengt von den vielen Reizen und meinen mich auseinanderreißenden Gedanken und Taten. Viele Kinder, die einem nicht zuhören wollen, viele Kinder, die einander aggressiv werden, die einander ausschließen, die nach Nähe schreien und die volle Aufmerksamkeit verlangen, weil sie sie wohl Zuhause nicht bekommen... Jedes einzelne Wesen so kostbar, wie das eigene Herz. Soweit zu den Ausgangsfakten. So saßen wir nun allesamt im Kreis am Boden- bereit dem Lehrer beim Vorlesen eines Buches über "Mitgehen" zu lauschen. Leider schwangen laut schreiend und doch fast wortlos Antisympathien durch den Raum. Zum Missfallen des Lehrers. Das "Opfer" - Melanie. "Kim, du sitzt neben Melanie. Wir schließen niemanden aus. Wir haben oft darüber geredet. Du würdest es auch nicht schön finden, wenn du ausgeschlossen wirst" Kim verzieht angewidert das Gesicht, als sie aufgefordert wird, sich sofort rechts neben Melanie zu setzen. Ziemlich offensichtlich schiebt sie sich in Richtung des rechten Nachbarn und schaut angeekelt zu der Person, die sie nicht mag. Traurig und grausam... aber doch irgendwie auch ihr Recht, jemanden nicht zu mögen?! Ich weiß nicht genau- ich bin im Zwiespalt. Melanie tut mir leid- es ist nicht schön, ausgeschlossen zu werden oder das Gefühl zu haben, jemand mag sie nicht. Und dabei wurde es noch schlimmer. Auch Elina hatte ein Problem mit Melanie. Nur brachte sie es mit ganzem Körpereinsatz zum Ausdruck. Der Aufforderung, sich neben Melanie zu setzen nicht folgend, wurde sie vom Lehrer zu dem ihr zugewiesenem Platz gezerrt. Welch zerreißender Anblick. Elina wehrte sich, drückte sich mit aller Kraft dagegen. Keine Chance. Der Lehrer "setzte sie ab" und Elina schmiss sich zusammengekauert etwas entfernt neben Melanie "Ich will nicht neben der sitzen!" Und jetzt wurde es gruselig. Luft schnappend begann der Lehrer, seine Empörung auszuspucken-keinen Halt findend "Findest du das gut, was du hier gerade tust? Das ist echt nicht schön für Melanie...... Wie findet ihr das?? Stinkt Melanie? Riko- riech mal an ihr... Stinkt Melanie??" Sie schaut in die Runde "Ja... sagt mir mal, wie ihr das findet!.... Wie findet ihr, was Elina hier gerade macht?" Die Finger der Kinder rasen hoch. Welch beschissene Situation. Für alle. Wie grausam es wohl für Melanie ist, dass sich die komplette Klasse nun damit beschäftigen soll, wie scheiße manche Kinder sie finden. Wie beschissen es wohl für Elina ist, dass sie nackt auf einem Präsentierteller in mitten der Klasse sitzt- kein Handtuch in greifbarer Nähe, um sich zu verstecken. Wie blöd für die Klasse, vor Entscheidungen gestellt zu werden. Sie wissen, welche Antwort verlangt wird und haben fast keine andere Wahl, als genau diese zu geben. Einige Kinder dürfen ihre bereits vorgebackene Aussage machen. Ein nochmaliges Statement des Lehrers und der Spuk hat fast ein Ende. Wie durch Zufall sitze ich die ganze Zeit bereits hinter Melanie... (Zufall... ja klar....) Ich streiche über ihre Schultern und sage in die Runde "Ich mag Melanie... Ich sitze gerne bei ihr" Ich lächel sie voller Liebe an. Sie schenkt mir ihres zurück. Das Lesen beginnt. Alle lauschen. Elina, immer noch gefangen in ihrer Antipathie, verharrt in eingekauerter Position- abwendend von Melanie. Auch ihren Rücken streichle ich sanft. Ist es Ok, jemanden nicht zu mögen? Klar! Ist es auch OK, jemanden so offensichtlich fast zu demütigen? Hm.... Ich glaube fast, dass dies nicht so zustande kommen würde, wenn man den Kindern einfach den Freiraum lässt, Spielpartner und Begleiter auszusuchen. In unserer Gesellschaft- in diesem System ist es wohl so vorgeschrieben, jedem die Hand reichen zu müssen. Ziemlich blöd eigentlich. Wie gern würde ich meinem fiktiven blöden Onkel einfach mal sagen, wie beknackt ich ihn finde, mich umdrehen und gehen. ....warum eigentlich nicht mal ausprobieren :-) Was soll passieren? Ein Mensch, dem ich nicht viel Bedeutung schenke und den ich irgendwie sowieso nicht leiden kann aus meinem Leben "verlieren" zu können, erscheint mir gar nicht als so schlechte Option :-) Auch #StefanHiene hat dazu Worte in einem seiner AufwachBriefe... Aber weiter im Text... dem Ende nahe Die Geschichte über "Mitgehen oder nicht?" war spannend. Alle lauschten. Lilly- ein zartes Wesen schräg links von mir, legte sanft ihre Hand auf die meine. Dort lag sie nun, nichts fragend.. einfach nur, um Nähe zu spüren... um Berührung wahrzunehmen. Auch Elina löste sich langsam aus ihrem Versteck. Stützte sich auf meine Beine und verfolgte die Geschichte. So verging die Stunde... fast wie im Fluge. ********************* *Namen geändert, weil ich sie geändert habe...

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