Es ist morgens. Das sanfte, trübgraue Winterlicht scheint auf das Gesicht des kleinen Mannes. Er wird etwas wacher- der Hunger kommt wieder. Immer wieder. zehnmal täglich… wenigstens einer, der sich an regelmäßige Mahlzeiten hält. Und dafür braucht er sich nicht einmal in die Küche stellen.
Alles ist parat- einfach so. Naja fast jedenfalls. Den Mund ein paar Mal wie ein kleines Vöglein aufmachen, Zunge rausstrecken, gegebenenfalls etwas weinen, wenn die Mami denn nicht schnell genug ist und los geht’s. Mit schnellen Zügen und hechelndem Atem wird getrunken was das Zeug hält. Könnte mir ja jemand das Essen wegschnappen. Ich trinke auch einfach so viel es geht und was nicht passt, spucke ich der Mami eben aufs Shirt. Wozu trägt sie denn sonst Stoff um ihren Oberkörper.
Es ist schon echt ein Wunder, so ein kleiner Mensch. Eben hast du es noch monatelang im Bauch mit dir herumgetragen und schwupps, liegt es auf einmal vor dir und du kannst endlich sehen, was denn da so zappelt und hickst.
Und dabei kann die Schwangerschaft so unterschiedlich ablaufen. „Im zweiten Trimester erwartet Sie Ihre beste Zeit der Schwangerschaft- sie werden diese so richtig genießen und aufblühen.“
Ja klar. Es ist wirklich traumhaft schön, wenn der Magen einem direkt in der Kehle hängt und man mehrmals täglich ein Haus anzünden könnte mit dem Brennen im Hals.
Die ersten Monate waren auch besonders schön. Von Anfang an hatte ich jeden Tag eine permanente Übelkeit. Aber nicht nur morgens… nein… den ganzen Tag lang. Allein der Gedanke an Essen- es gab fast nichts, was ich in diesen mir Jahre vorkommenden Monaten essen konnte. Fressattacken gab es bei mir gar nicht- nur Übelkeit… und Übelkeit. Morgens, mittags, abends- manchmal auch nachts- Übelkeit. Ach ja und die Müdigkeit, die habe ich schon fast wieder vergessen. Aber so schlecht war die Müdigkeit gar nicht. Das war die einzige Medizin, die mir gegen dieses permanente Gefühl des sich übergeben Wollens half… aber nur solange ich schlief… jedenfalls manchmal.
Das letzte Schwangerschaftsdrittel ging dann eigentlich. Ich hiefte mich in der Nacht von Seite zu Seite. Denn ich war ja immer wach und konnte einfach nicht einschlafen. Pünktlich zur Nachtruhe fing auch der Kleine im Bauch an, mir Geschichten mit Händen und Füßen zu erzählen. Das Gefühl war tatsächlich wunderschön. Zu spüren, dass er da ist und das es ihm gut geht. Dem extremen Druck auf den Rippen nach zu urteilen, müsste er allerdings ein Riese werden. Mal abgesehen von dem Sodbrennen und dem Drücken im Hals, welches immer unerträglicher wurde. Nach einer handvoll Essen war ich bis Oberkante vollgestopft.
******
Ein Ziehen im Unterleib… morgens kurz vor 5. Naja, nicht weiter wild. Das hatte ich in den letzten Wochen immer Mal wieder. Aber irgendwie zieht es ganzschön doll. Was ist los, fragte mein Mann, dessen Schlaf so leicht ist wie meiner. Ein Ziehen im Unterleib, als hätte ich meine Regel war meine Antwort. Wir schlummerten etwas weiter vor uns hin. Doch das Ziehen wurde immer unangenehmer. Das fühlt sich an wie eine Jahrespackung Regelschmerzen und das permanent.
„Geht´s jetzt los?“ die meist scherzhaft gemeinte Lieblingsfrage meiner zweiten Hälfte.
„Keine Ahnung, aber ich muss aufstehen. Ich kann nicht mehr liegen bleiben“.
Und da ging die Wanderschaft in unserer kleinen Einraumwohnung los. Auf und ab, hoch und runter, im Kreis und auf dem Kopf. Zwischendurch noch ein kurzes stärkeres Ziehen. Boa ist das ekelhaft- so ein unkontrollierbares Gefühl im Unterleib.
„Duhuuu“, sagte ich „Können wir baden gehen?“
Das war das, was uns beim Vorbereitungskurs geraten wurde. Wenn man nicht so richtig weiß, ob es jetzt ernst wird und um den Körper ein bisschen zu entspannen.
Also ab in die Wanne. Keine Zehn Minuten später
„ Du, ich muss raus hier- das macht es nicht besser“.
Gesagt getan. Und angezogen. Regelmäßig und doch ohne Regel, kamen immer ekligere Schmerzen im unteren Bereich meines Körpers. Uiuiui, also wenn das jetzt gerade einmal die Anfangswehen sind, wie soll denn dann der Endspurt sein? Ich stütze mich an die Wand, senke den Kopf und konzentriere mich auf meinen Körper. Uff…. Was für ein unbeschreibliches Gefühl. Immer noch unkontrollierbar. „Die Hebamme meinte doch, wenn die Wehen alle 7 Minuten kommen, können wir anrufen…. Aber das sind keine 7 Minuten Abstand- das sind höchstens 3 … oder permanent. Keine Ahnung. Kannst du sie anrufen?“
Mein Herzblatt rief die Bereitschaftsnummer des Geburtshauses an. Nach kurzem Gespräch reichte er an mich weiter. Ahhh cool, ich erkannte die Stimme der Hebamme aus dem Vorbereitungskurs, die an diesem Tag Bereitschaft hatte. Wie schön, die kenne ich wenigstens schon und weiß, dass ich in guten Händen bin. „ Also pass auf, da es bei euch erst seit einer Stunde mit den Wehen geht, haltet noch ein bisschen durch und wenn es doller wird oder ihr denkt es geht nicht mehr, ruft ihr nochmal an und ihr kommt ins Geburtshaus.“
Alles klar. Uff, na mal sehen, wie lange ich noch aushalte. „Im Kurs hatte sie gesagt, dass es so 17 Stunden oder so dauern kann. Aber das Gefühl hier kommt schon alle paar Minuten. Kann doch nicht sein, das….. uiuiuiuiui“ ich stütze mich wieder gegen die Wand „Kann doch nicht sein, dass das hier kein Ende hat…. Wir müssen den Kuchen machen. Im Kurs sagte sie, wir haben noch genug Zeit, einen Kuchen zu backen… kannst du den machen?“ Hechel, hechel „Ich schaff das nicht mehr“ Puuuust „das Rezept ist da irgendwo…. Ich muss laufen“
Und weiter ging es. In schnellen Schritten absolvierte ich sicher den längsten Marathon, der je in einer Einraumwohnung stattgefunden hat. Immer wieder stützte ich mich an meinen Mann oder an die Wand in der Küche. Ein paarmal fragte er etwas zu dem Rezept und ich meinte immer nur „Ist egal- hau irgendwas rein, Hauptsache wir haben den Kuchen“.
Laufen, an die Wand stützen, laufen, hecheln, laufen. Zwischendurch die Überlegung, wie wir denn nun hinkommen zum Geburtshaus. Da wir kein Auto haben, blieben nur die Optionen Taxi, Bus oder laufen (normalerweise ein Weg von maximal 20 Minuten). Nur kamen wir auf keine passende Lösung.
Weiter laufen… an die Wand stützen „Was macht der Kuchen?“ meine hastige Frage zwischen Aua und Hechel.
„Hm naja, irgendwie war wohl der Teig zu viel“. Ich warf einen kurzen Blick in den Backofen- übergelaufen.
„Ich kann nicht mehr.“ Pustete ich nach kurzer Zeit.
„Na dann los“ die Antwort meines Mannes. Also rief er nochmals im Geburtshaus an.
„Und, wie willst du hinkommen?“
„Keine Ahnung, sitzen geht auf jeden Fall nicht und rumstehen auch nicht…Also laufen.“ Antwortete ich- unsicher, ob ich das schaffe.
Er schnappte sich den fetten, vorgepackten Rucksack, die Babyschale und noch einen Beutel, stellte den Backofen aus- scheiß auf den Kuchen- und los.
Vier Stockwerke runter. Normalerweise war abwärts immer einfach… Jetzt hielten wir immer mal wieder an. Ich pustete, lehnte mich irgendwo an. Man das zieht verdammte kacke.
Raus aus dem Haus.
Ein LKW stand vor der Tür. Der Mann, der darin saß, schien verunsichert, ob er vielleicht seine Hilfe anbieten solle, als er mich hechelnd an mein Herzblatt stützend sah.
Weiter geht’s. Mannoman, der Weg wird ziemlich anstrengend werden. Anfangs noch so alle 20 Meter anhaltend, wurde es zunehmend mehr. Ich machte mir im Kopf schon Strecken aus wie ´Bis zum Mülleimer, sinds nur noch zehn Meter- das wirst du ja wohl locker schaffen.´ Ich beschleunigte meinen Schritt, um mein Ziel noch zu erreichen. Puuuust, ich muss stehen bleiben.
Ätsch, nicht geschafft… beim nächsten Zug schaffe ich es!
Wir laufen weiter. Ich höre die Gedanken meines Liebsten `Gleich hat sie wieder eine Wehe- ich werde jetzt mal langsamer und zwinge sie dazu anzuhalten und die Wehe durchzustehen.´ Recht hat er. Ausatmen, ausatmen, ausatmen. Nach einer halben Ewigkeit müssten wir doch ziemlich weit gekommen sein… Denkste. Wir haben nicht einmal die Hälfte geschafft. Ein Zurück geht nicht mehr. Bus fahren macht nun auch keinen Sinn mehr. Also vorwärts. Drei Meter laufen, stehen bleiben, abstützen, hecheln, und von vorne.
Sein Telefon klingelt. Die Hebamme. Sie fragt, wo wir denn bleiben.
Gleich da. Zumindest theoretisch. Die Wehen scheinen nur noch ein Einheitsbrei zu sein. Ich kann da keine Regelmäßigkeit und keinen Abstand herausfiltern. Hechel, puuust, zwei Meter laufen. Ausatmen, Hand meines Mannes zerquetschen und weiter.
Nach über einer Stunde mehr Stehen als Laufen, sah ich das Ziel morgens um acht fast vor meiner Nase. Endlich. Gleich geschafft. Uuuuuuuff. Puuust puuust. Los, gleich bist du da. Wir laufen zum hinteren Eingang. Angekommen, werden wir wieder zurückgerufen zur vorderen Haustür. Maaaaannnn, ich kann nicht mehr! So eine kacke, ich dachte, ich hab es endlich geschafft und jetzt stehen mir wieder 20 Meter Hürde bevor. Festklammern, ausatmen, vorwärts. Ich sehe meine Hebamme. Puuust.
„Na dann kommt mal rein ihr Lieben.“
Kann´s jetzt losgehen- waren meine Gedanken, während ich mich immer wieder an einem Stuhl abstützend versuchte von meiner Draußen-Kleidung zu befreien. Unsere Hebamme wies uns ein- naja zumindest mein Mann bekam davon etwas mit- ich war ja mit ausatmen, ausatmen beschäftigt.
Sie führte uns in ein Entbindungszimmer und bat mich, mich etwas frei zu machen. „Schauen wir mal, wie weit dein Muttermund schon geöffnet ist“, ich sollte es mir auf dem Bett bequem machen „7 cm. Du hast schon viel geschafft. Toll- jetzt machen wir noch ein CT“, sagte die Hebamme dann und stöpselte mich, als ich dann fast unbekleidet war, an den Wehenschreiber an. Och nee ey, ich will in die Wanne oder so, irgendwas Warmes.
Ich bekam so eine Art Saugnapf an den Bauch geklebt und musste warten. Warten worauf eigentlich. Darauf, dass mich irgendwer abholt und sagt, herzlichen Glückwunsch, ihr Baby ist fertig??
Ahhhhh. Puuuust. Puuust. Boa, dass wird ja immer schlimmer! Ich stütze mich auch hier an der Wand ab. Maaaaan, ich will sitzen, liegen, stehen gleichzeitig. Ahhhh. Puuuh. Irgendwie ist es jetzt anders. „Kann es sein, dass ich schon Presswehen habe?“ frage ich die Hebamme.
„Ja, das kann schon sein. Du hast schon viel geschafft. Wir messen jetzt noch so 5 Wehen.“
Waaas??? Oh nööö ey, das ist doch nicht wahr. Das halte ich nicht aus.
„Willst du dann in die Badewanne?“ fragt die Hebamme.
„Ja!“ antworte ich sowas von entschlossen zwischen Pressen, Hechel und Ausatmen. Sie brabbelte noch irgendetwas zu meinem Mann, wie ´Leg doch mal ein Handtuch für deine Frau und den Kleinen raus und das, was er später anziehen soll´- aber da kam auch schon der nächste Schwall Wehe.
Uff. Und ich war beschäftigt mit einer Art aus Schmerz und Pressen, Atmen und Hecheln- wobei das Hecheln eigentlich kein Hecheln war sondern ein intensives, kurzes Einatmen und ein noch intensiveres langes Ausatmen. Ich war voll und ganz mit mir beschäftigt und doch nahm ich so vieles wahr wie zum Beispiel diesen kleinen Hocker, der unter mir an der Wand stand. Irgendwie störte er mich, weil er dort stand, wo ich stehen wollte und irgendwie wollte ich mich auch draufsetzen, aber sitzen ging ja nicht. Ich war hin und hergerissen und genervt, weil ich endlich in die warme Wanne wollte.
Hinter der Tür nahm ich wahr, wie die Hebamme telefonierte. Im Vorbereitungskurs meinte sie, wenn die zweite Hebamme gerufen wird, dann habt ihr es bald geschafft. Boah, das wäre ja mega. Kann ich dann jetzt endlich in die Wanne? Und wo ist eigentlich mein Mann die ganze Zeit. Muss er denn jetzt unbedingt die Sachen auspacken? Kann er nicht einfach bei mir sein und ich mich an ihm festklammern? Ihm die Hand zerquetschen?
Die Hebamme kam zurück. Im Hintergrund hörte ich das Wasser in die Badewanne plätschern. Meine Badewanne!
Wie viele Wehen habe ich jetzt wohl schon geschafft? Die einzelnen Wellen ließen sich kaum auseinanderhalten. „Das machst du super“, sagte die Hebamme.
Ich hörte das Wasser laufen…und laufen… und laufen. Es war einfach kein Ende in Sicht.
Ich weiß gar nicht mehr was zwischendurch passierte, auf jeden Fall kam es mir vor wie eine Ewigkeit.
Irgendwann dann stieg ich in die Wanne. Endlich. Das war schon fast erlösend, dieses warme, weiche Wasser, welches meinen Körper umhüllte. Ich hatte die Wahl zwischen liegen, sitzen oder knien. Vor der Geburt dachte ich, ich würde niemals kniend gebären, doch jetzt war dies die einzige Position, die ich passend fand. Und da ging es auch schon weiter. Ausatmen. Ausatmen. Pressen. Ich kniete mit Blickrichtung zum Rand der Wanne. Direkt vor mir, in Höhe meines Bauchnabels war ein Griff befestigt - perfekt. An dem klammerte ich mich fest. Mein Mann kniete direkt vor mir außerhalb der Badewanne- seine Arme auf den Rand gelegt, um mir eine Stütze zu sein.
Nächste Wehe. Das Pressen wurde eigenständiger und intensiver. Es hörte auch automatisch wieder auf- ich konnte es nicht wirklich beeinflussen.
Dieses Gefühl war eindeutig besser als die Wehen vorher. Kontrollierbarer. Die Geschwindigkeit meiner Achterbahnfahrt wurde rasanter. Die Presswehen wurden noch stärker. Wobei stärker gar kein Ausdruck war - sie fühlten sich an, als würde ich eine dicke Wurst auspressen wollen. In der Tat ist sowas in der Art auch passiert, denn die Hebamme fuchtelte mit einem Sieb permanent im Wasser herum.
Tagelang vor der Geburt war ich schon nicht ganz auf dem Damm. Ich war erkältet und hustete Tag und Nacht ganz furchtbar. Im Zustand der Schwangerschaft ist Husten übrigens nicht zu empfehlen. Das arme kleine Wesen im Bauch muss wohl auch gedacht haben ´Was ist denn hier los´. Es ruckelte und tuckelte stetig und ständig- da wurde jemand ganz schön durchgeschüttelt.
Naja und meine Verdauung war auch nicht so ganz perfekt. Leider musste ich diese Tatsache auch mit allen Anwesenden im Badezimmer des Geburtshauses teilen.
"Das ist hier ja fast wie Haifisch angeln" scherzte die Hebamme.
In dem Moment war ich etwas peinlich berührt, aber eigentlich war es mir doch im wahrsten Sinne des Wortes scheißegal. Vor allem weil ich es eh nicht ändern konnte. Ahhhh. Eine Wehe folgte der nächsten. Das Pressen wurde noch intensiver- nicht aufzuhalten. Bei dem Druck auf dem Unterleib, dachte ich, lässt er bestimmt nicht mehr lange auf sich warten.
Ich war voll auf meinen Körper fixiert und doch bekam ich alles mit. Zum Beispiel auch, wie die zweite Hebamme zu uns stieß. Begrüßen konnte ich sie allerdings nicht gleich, denn ich war mit Pressen beschäftigt. Puuust, puuuuuust. Und wieder schien etwas Kleines aus meinem Hintern zu schwappen. Müsste ich nicht langsam mal leer sein. Peinlich, peinlich- aber egal. Es gibt Wichtigeres zu tun.
Ahh. Puuust. Ausatmen. "Du machst das super. Du hast schon ganz viel geschafft. Das Köpfchen ist schon zu sehen. Wenn du willst, kannst du es anfassen", erklang die Stimme der Hebamme nach der Wehe.
„Ich trau mich nicht", hauchte ich etwas erschöpft von dem Kraftakt gerade zurück. „Ach Hallo erstmal“, sagte ich anschließend zur 2. Hebamme „Ich konnte leider nicht früher hallo sagen- ich war beschäftigt“.
Das Pressen ging wieder los. Ahhhh. Puuust. Mein Mann tauschte seinen Unterarm, an dem mich die ganze Zeit mit meinem Kopf gegen presste, durch ein Kissen aus. Ah, das war gut, so konnte ich mir auch seine andere Hand krallen und sie zu Staub zermalmen. Dabei merkte ich, wie verkrampft ich wohl die ganze Zeit meine Arme anspannte. Boah, das wird morgen Muskelkater geben. Auch meine Beine fanden ihre statische Position ziemlich ätzend, aber genau so musste ich bleiben. Da müssen meine Beine jetzt wohl einfach mal durch. Auch die Hebamme fragte zwischendurch, ob ich meine Position ändern wolle, doch ich winkte ab.
Ahhhh. Aua aua. Der Kopf scheint sich durch den schmalsten Teil meines Körpers durchquetschen zu wollen. "Aua aua aua"
"Ja das machst du gut. Du kannst jetzt mal versuchen zu pressen, auch ohne Wehe", sagte die Hebamme.
Gesagt, versucht- Fehlgeschlagen. Das funktioniert leider nicht, sonst hätte ich solange gepresst, bis sein Köpfchen endlich raus flutschen würde. Ahhhh. Pressen. Pressen. Ich stieß Laute von mir, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie vor anderen machen würde. Aber ich ließ meinen Körper einfach das tun, was nötig war.
"Wie lange wird es noch dauern? Ich bin KO" fragte ich die Hebamme erschöpft.
"Ich schätze noch so 5 Wehen. Dann habt ihr es geschafft", war ihre Antwort.
Ein Ende in Sicht. Aber ich hatte ja gedacht, wenn der Scheitel des kleinen Mannes schon zu sehen ist, drückt man ihn mit einmal durch, aber da hab ich wohl zu viel geträumt.
Nun standen noch ein paar Wehen vor mir. Und dann, dann ist der Minimensch auf einmal da, von dem man sich monatelang vorstellte, wie er wohl aussehen wird. Das Pressen nahm nun kräftig Anlauf.
"Ahhhh. Das tut weh" der Kopf quetschte sich vorwärts und riss meine Haut auseinander.
"Ja ich weiß, aber du machst das gut. Gleich hast du es" motivierte mich die Hebamme.
Hechel. Hechel. Ein nächstes Pressen. Meine Stimme wurde lauter "Ahhhhhhh" und höher "Aua aua aua. Ahhhhhhh" also von Dammriss habe ich ja schon viel gelesen und mich darauf eingestellt, aber das da am vorderen Eingang, was sich dort langsam und schmerzhaft auseinanderriss, war definitiv nicht der Damm. Der Kopf hatte wohl an seiner breitesten Stelle Halt gemacht. "Aaahhhhhhhhhuuuuuuaaa" Auch beim nächsten Pressen ging es nicht vorwärts. Ich drückte mit aller Kraft... doch es machte einfach nicht flupp. Ich hörte die Hebamme ruhig mit meinem Mann reden- sowas wie "Die eine Hand hälst du jetzt unter das Köpfchen und lässt ihn dort hineingleiten...." den Rest habe ich nicht so richtig mitbekommen. Die nächste Wehe schlich sich mit Rumpeln und Pumpeln an. "Ahhhhhhhhhhh" Preeeesssss. Preeeesssss. Schwupps. Das Köpfchen ist durch. Geschafft. Puhhhh.
Erschöpfung.
Erleichterung.
"Jetzt kannst du dich mal vorsichtig hinlegen. Bei der nächsten Wehe nochmal pressen und dann ist der Kleine da."
Gesagt, getan. Beim nächsten Atmen und drücken merkte ich kurz den kleinen Körper rausflutschen. Fast Schwerelos. Das lag wohl am Wasser. Er ist da. Die Hebamme hob ihn langsam aus dem Wasser und legte ihn mir auf den Oberkörper.
Krass, der kleine Wurm war in mir drin? Ich schaute zu meinem Mann.
Fassungslos.
Ich müsste jetzt vor Glück weinen oder?- war ein kurzer Gedanke. Aber mir stockte einfach nur der Atem. Unglaublich, Wahnsinn, unmöglich, dass das kleine, nackige Etwas aus mir heraus kam und durch mich und meinem Liebsten entstanden ist!
Ein paar Minuten ließen uns die zwei Hebammen den Moment erleben und genießen.
"Hallo kleiner Mann... Und du warst in meinem Bauch?" Mein Blick ging immer wieder abwechselnd von dem winzigen Menschen auf meiner Brust, zu dem Mann meiner wahrgewordenen Träume schräg vor uns. Wow. Was für ein Glück ich hab!
Alles, was danach in der Badewanne passierte, ist mir nur in einzelnen Bildern hängen geblieben. Irgendwann schaute ich das Wasser, in dem ich lag, an. Es war verfärbt in einem Gemisch aus rot und braun. Die Nachgeburt kam auch recht einfach und schnell. Sie sah auch nicht besonders schön aus. Eine Art Gehirn aus tiefem Rot und vielleicht auch Braun. Es sah ziemlich glibberig aus. Auf jeden Fall nicht appetitlich! Die Hebammen fragten, ob ich ein Stück davon essen möge. Standardfrage, die sie stellten. Es soll wohl dazu beitragen, dass die Nachwehen nicht so stark ausfallen. Bei der ersten Geburt sind sie das wohl aber eh nicht. Irgendwann dann fragte die Hebamme uns, ob einer die Nabelschnur abschneiden möchte und klemmte dem Minimenschen eine weiße Klammer um die weiße Wulst, durch die glaube ich tief dunkelrote Pünktchen schienen. Mein Mann wollte eigentlich nicht, sagte er vorher- doch nun entschied er sich um. Es musste sich anfühlen, als ob man Fleisch schneidet, denn so sah es nämlich aus. Das mein Herzblatt mit dem Kleinen dann das Bad verließ und in das gemütliche Geburtszimmer ging, habe ich irgendwie nicht so richtig mitbekommen. Als Nächstes war ich an der Reihe. Die Hebammen halfen mir, mich etwas abzuduschen, aus der Wanne zu steigen und auch beim Abtrocknen. Gleich im Anschluss bekam ich einen wunderschönen Netzschlüpfer mit einer fetten Binde darin angezogen. Sexy. Aber auch das war in dem Moment egal. Während der Schwangerschaft und auch davor hatte ich immer Angst vor den Blutungen danach. Was heißt Angst - ich fand einfach die Vorstellung furchtbar, wochenlang mit so einer Windel herumzulaufen. Nach der Geburt fühlte es sich aber fast angenehm an - so ein nettes Polster zwischen den Beinen zu haben.
Durch die Hebammen gestützt, wurde ich zu meinem Liebsten gebracht, der den Inhalt meines Bauches nun in seinen Händen hielt. Wow. Unglaublich. Ich lege mich zu den beiden, die in dem großen Bett lagen. Unter mir wurde noch so eine schöne Wegwerfunterlage gelegt, damit ich das Laken nicht in ein tiefes Rot tauchte. Und dann wurde mir glaube ich der Kleine angelegt... oder wurde doch erst die Naht zwischen meinen Beinen gemacht? Ziemlich unangenehm schmerzhaft, dieses Stechen in der Region, in der grade ein riesiger Kopf von 36cm seinen Durchbruch fand. Naja, jedenfalls hab ich dann noch Bilder im Kopf, wie mir der Wurm gleich auf die Brust gelegt wurde. Die Hebamme Nummer Eins, packte gekonnt sein Köpfchen und drückte es mit einem Schwung genau mit dem offenen Mund an die Brustwarze. Und da fing er auch schon an zu Nuckeln. Ein Wunder.
Die zwei Geburtshelferlein verließen das Zimmer und gaben uns nun die Zeit, das neue Familienmitglied willkommen zu heißen und uns zu entspannen. Wir betrachteten den Kleinen und ruhten uns aus. Wir bestaunen die kleinen Fingerchen, die zarte Haut und den weichen Pflaum auf dem Kopf. Ich weiß garnicht, wieviel Zeit verging doch nach einer langen Zeit zu dritt, kam eine der beiden Hebammen zu uns. Ihre Helferin hatte sich bereits vorher verabschiedet- ihre Arbeit war getan. "Kann ich mich irgendwie duschen oder so?", fragte ich glaube ich als erstes, nachdem sie sich erkundigte, wie es uns geht.
"Ja klar". Sie half mir hoch und bat mich, mir die Klecker-Unterlage unter meine Intimzone zu halten. Schwupps - da merkte ich es auch schon warm zwischen meinen Beinen herunterlaufen. Alles klar, deswegen. Yippiee. Ich verlor ziemlich viel Blut. Manno, jetzt rutscht mein super Eisenwert wohl gleich in den Keller. Da werd ich mir die Tage gleich mal eisenhaltige Säfte einverleiben.
Zurück zum Säubern. Ich durfte in der Dusche Platz nehmen und mich meines Blutes entledigen. Boa, das warme Wasser war super auf der Haut. So richtig entspannend.
"Versuche ruhig mal zu pullern unter der Dusche. Dann brennt es nicht so."
Hm. okay. Ich muss aber gar nicht. Ich versuchte es trotzdem. Nö. Nix. Sonderlich viel habe ich, die sonst (naja zumindest vor der Schwangerschaft) sehr viel trank, ja auch nicht an Flüssigkeit zu mir genommen. Eine gefühlte Ewigkeit saß ich nun da und ließ das Wasser auf meine Haut prasseln. Währenddessen wurde der Minimensch wohl gebadet und angezogen. Nachdem die Hebamme mir wieder aus der Dusche und in einen neuen gepolsterten Netzschlüpfer verhalf, durfte ich wieder im Bett Platz nehmen. Nun folgte die U1. Das kleine Licht wurde äußerlich betrachtet. Alles drin, alles dran. Er wurde gemessen und gewogen. stolze 3800 g und 53,5 cm lang. Für meine Statue ein kleines Propperchen. Zum Glück war ich während der Schwangerschaft nicht aufgeplatzt wie ein gerupftes Hühnchen, sondern wurde nur nach vorne heraus ein dicker Medizinball. Der kleine und mein Liebster, wir fanden uns nun alle wieder im Bettchen zusammen. Dort konnten wir nun noch ein Weilchen gemeinsam entspannen. Irgendwann dann einmal machte sich der Hunger bemerkbar. Die Hebamme war für eine Weile zu Hausterminen weggefahren und wir hatten die Erlaubnis, uns wie zu Hause zu fühlen. Bekleidet nur mit einem Netzschlüpfer, taumelte ich mit geschwächten Muskeln mit meinen beiden Liebsten in die Küche. Mein Körper fühlte sich an wie Wackelpudding. Ein bisschen so, als hätte man übermäßig beim Sport übertrieben und könnte keine einzige ordentliche Bewegung mehr vollführen. Aber sonst ging es mir blendend. Etwas erschöpft vielleicht. Ich schmiss uns zwei Brötchen auf den Toaster und schob meinem Mann, der den kleinen Wurm in seinen Armen hielt, eine vom Weg zermatschte Banane in den Mund. Mir ebenso. Ihhhh. Mega Sodbrennen. Nicht immernoch! Ich dachte, die scheiße hat mit der Geburt endlich ein Ende. Ich möchte doch einfach nur mal normal essen! Naja, wer weiß. Pendelt sich vielleicht noch ein. Zurück ins Bett gemümmelt, aßen wir Brot und Apfel. Naja so richtig Hunger hatte ich nicht wirklich, dank des zauberhaften Brennens im Halse.
Wir dümpelten so vor uns hin. Entspannen, kuscheln, den süßen Fratz bewundern, etwas dösen, aufs Klo gehen, ein paar Fotos an Familie und Freunde schicken und von vorne. Ein paar Stunden später kam auch schon die Hebamme zurück, fragte uns ob alles gut ist, bat uns an, dass sie bei Bedarf gerne heute Abend nochmal bei uns Zuhause vorbeischneien könne und dann rief sie uns auch schon fast ein Taxi. Ui, jetzt aber schnell anziehen...
Und dann war da diese neue Baby-Autoschale. Wie verdammt stellt man diese Gurte ein.
"Euer Taxi ist da" eben noch gemütlich im Bett gelegen, wurde unsere Entspanntheit zu einem Wettrennen mit der Zeit. Hätten wir uns doch nur vorher mal die Anleitung angeschaut!
Wie auf einem Wasserbett stehend zog ich meine Schuhe an, während mein Liebster etwas verärgert an dem Hightech-Ding ruckelte.
"Das Taxi wartet" drängelte es von der Tür "Geh du doch schon mal vor.“
Hektisch auf den kleinen und den großen Mann schauend, wurde ich das erste Mal von meiner neuen Familie getrennt. Du Schaffst das. Sie sind ja gleich wieder bei dir, dachte ich.
Draußen angekommen, entschuldigte ich mich beim Taxifahrer für unser „Bummeln" und versicherte, dass der Rest der Mitfahrer gleich da sei. Schwupps, da kam auch schon das Würmchen in den Händen der Hebamme angeflogen. Ohje, wie bekomme ich die Autoschale jetzt angeschnallt? Völlig hilflos schaute ich immer wieder zur Tür, wann denn mein Mann komme- er kennt sich damit ja wenigstens aus.
Auch der Taxifahrer war überfordert aber freundlich "Ich weiß auch nicht so genau, wie das geht. Normalerweise machen das die Eltern immer selbst." Ich entschuldigte mich wieder.
Auch das letzte Familienmitglied erschien nun. Immer noch unter Druck stehend, weil der Fahrer schon eine Weile wartete, stiegen wir ein und hielten die Autoschale einfach so ganz fest umschlungen. Keine Ahnung wie dieses kack Ding funktioniert.
"Wir müssten dann noch bei irgendeiner Bank anhalten, wir haben quasi kein Geld dabei", sagten wir zum Fahrer "Das ging alles sehr spontan hier". "Okay, wieviel Geld haben sie denn dabei" fragte er.
"4€"
"Oh, das reicht nicht, nee"
Ich weiß nicht mehr so ganz genau, wie das Gespräch weiter verlief. Jedenfalls hatte der Taxifahrer nicht geschnallt, dass wir gerade frisch gebackene Eltern geworden sind. Nach einer Weile dann machte es Klick bei ihm "Ach dann war das da gerade eben sowas wie eine Hebamme.... Ach wissen Sie, geben Sie mir einfach das Geld was Sie haben und dann ist´s Okay. Aber dem kleinen erzählen Sie dann, dass seine erste Fahrt mit dem Taxi war" "Ja klar, danke, danke, das machen wir"
Keine zehn Minuten später waren wir auch schon am Ziel unserer Träume - Zuhause. Wir bedankten uns noch dreimal beim Taxifahrer und gingen dann das erste Mal zu Dritt in unsere gemeinsame Wohnung...
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